Paulus

Wer war Paulus?

Wer die Lebensgeschichte des Apostels Paulus nachvollziehen will, muss sich mit vielen kleinen Notizen in seinen eigenen Briefen sowie den Schilderungen der Apostelgeschichte begnügen. Leider berichten sie nicht immer dasselbe.

„Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an ...“ – bei diesen Worten trübt sich der Blick mancher Gottesdienstbesucher ein. Häufig erscheinen die Briefe des Apostels als Lesung im Gottesdienst schwer verständlich, wenig alltagstauglich, manchmal sogar rätselhaft. Was meint Paulus und warum ist das so wichtig für uns als Kirche heute? Schließlich: Wer war dieser Paulus eigentlich?

Aussehen

Ein Mann, „klein von Gestalt, mit kahlem Kopf und krummen Beinen, in edler Haltung mit zusammengewachsenen Augenbrauen und ein klein wenig hervortretender Nase, voller Freundlichkeit“. So beschreiben die Acta Pauli das Aussehen des Apostels, eine Schrift, die erst am Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus geschrieben wurde, also ungefähr 130 Jahre nach Paulus’ Tod. Die frühen Bilder von Paulus entsprechen dieser Beschreibung, während die Darstellungen der letzten Jahrhunderte eher einen kräftigen und hochgewachsenen Mann mit einem Philosophenbart zeigen, was Ausdruck seiner weitreichenden Missionstätigkeit wie seiner gelehrten Schriften sein mag.

Herkunft und Beruf

Aus den Briefen des Paulus kann man weder sein Geburtsjahr noch seine familiäre Herkunft sicher ermitteln. Wenn die Apostelgeschichte recht hat, hatte Paulus zumindest eine Schwester, die in Jerusalem lebte. Dort wird auch berichtet, dass Paulus aus der Stadt Tarsus in Kilikien stammte und das römische Bürgerrecht besaß. Während gegen seine Herkunft aus Tarsus nichts spricht, ist das römische Bürgerrecht zumindest fraglich. Möglicherweise erwähnt dies die Apostelgeschichte, um zu zeigen, dass Christen auch im römischen Reich vorbildliche Staatsbürger sein können. Ebenso fraglich ist, ob Paulus aus einer gebildeten Bürgerschicht kam. Seinen Beruf gibt er selbst mit „skenopoios“ an, was sowohl ein Hersteller edler Lederprodukte als auch ein einfacher Zeltmacher sein könnte, der dann den unteren Gesellschaftsschichten angehören würde.

 

Religiöse Bildung

Für eine gehobene gesellschaftliche Stellung der Familie spricht eher die religiöse Ausbildung des Paulus, der laut Apostelgeschichte bei Rabbi Gamaliel in Jerusalem ausgebildet wurde, was für einen Juden aus Kleinasien einen ziemlichen finanziellen Aufwand bedeutete. Dafür spräche auch die Gelehrtheit des Paulus, der aus griechischen Schriften zitieren konnte und sich in zeitgenössischen  philosophischen Strömungen auskannte.

Paulus wäre somit der Strömung der Pharisäer zuzurechnen. Diese zeichnete sich dadurch aus, dass sie die ursprünglich nur für den Priesterdienst am jüdischen Tempel vorgesehenen Speise- und Reinheitsgebote auf den Alltag übertrug, somit also versuchte, im Privatleben radikaler religiös zu leben. Pharisäern wie Paulus war die jüdische Bewegung in der Nachfolge Jesu ein Dorn im Aug.

Bekehrung/Berufung

Sehr deutlich zeigt sich das eigenständige Profil der Apostelgeschichte in der Frage der Bekehrung, die Paulus selbst in seinen Briefen Berufung nennt. Berühmt ist das Damaskus-Erlebnis, wie es die Apostelgeschichte darstellt: Paulus, von der Vision Christi vom Pferd geworfen, bekehrt sich zu einem, der nur noch Jesus Christus als den Erlöser betrachtet.

Meist wurde mit der Bekehrung auch die Namensänderung von Saulus (hebräisch: der Erhabene) zu Paulus (griechisch: der Geringe) verbunden. Paulus selbst schreibt dazu nichts. In der  Apostelgeschichte heißt es: „Aber Saulus, der auch Paulus hieß, ...“ (Apg 13,9) Statt einer Namensänderung geht man heute vielmehr davon aus, dass Paulus als jüdischer und römischer Bürger zwei Namen hatte: Paulus als offiziellen Namen und Saulus als Rufnamen. Dabei spielte die unterschiedliche Bedeutung wohl keine Rolle.

Deutlich anders beschreibt Paulus auch die Bekehrung selbst in seinen Briefen, nämlich als seine Berufung. Er will damit zeigen, dass er von anderen Autoritäten in Fragen des Glaubens unabhängig ist, nennt sich deshalb auch Apostel, da er selbst Christus erfahren hat und daraus seinen Missionsauftrag herleitet. Christus zu folgen, ist für Paulus daher wohl nicht das Gegenteil seines früheren Pharisäerseins, es ist eine neue Konsequenz des Gehorsams Gott gegenüber.

Theologische Kernfrage

Erlösung kann nach Paulus nun nicht mehr in der Haltung des jüdischen Gesetzes geschehen, wie es ihm als Pharisäer so wichtig war, sondern im Glauben an Christus, durch dessen Leben, Tod und Auferstehung alle Menschen von der Herrschaft der Sünde und des Todes befreit wurden. In Christus gibt es Gnade für alle, die sich auf ihn einlassen – und das Ende des Fluchs, sich selbst erlösen zu müssen. Genau in diesem Punkt ergeben sich aber auch die Konflikte, die Paulus mit den Aposteln und auf seinen Missionsreisen zu bestehen hat: Müssen auch Christen, die nicht vorher Juden waren, das jüdische Gesetz halten? Wie weit darf man mit anderen religiösen Gemeinschaften Umgang pflegen? Wer gehört zur Gemeinschaft Christi und wer nicht? In Christus, so Paulus, sollten alle Gegensätze überwunden werden können.

Tod

Genaueres über den Tod des Paulus überliefert auch die Apostelgeschichte nicht. Rom ist wohl sein letzter Aufenthaltsort. Noch zwei Jahre verkündet er dort das Evangelium. Dort stirbt er dann wohl auch; es bleibt jedoch unklar, ob dieser Tod als Strafe über ihn kommt oder im Zusammenhang mit den Christenverfolgungen unter Nero steht.

Christoph Buysch

Artikel aus: Kirchenzeitung – Die Woche im Bistum Hildesheim Nr. 17/2018